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FUKUSHIMA, TSCHERNOBYL UND WIR

FUKUSHIMA, TSCHERNOBYL UND WIR

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Eine Ausstellung von .ausgestrahlt
zu Fakten und Folgen
der beiden schlimmsten Reaktorunfälle bisher

Überarbeitet und aktualisiert März 2024
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Eine Ausstellung von .ausgestrahlt
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Menschenmassen gegen das Strahlen-Feuer

Die sechs Feuerwehrleute von Wache 6, die direkt am Reaktorkern löschen, gehören zu den ersten Helfern an der Unglücksstelle – und auch zu den ersten Toten.
Die sechs Feuerwehrleute von Wache 6, die direkt am Reaktorkern löschen, gehören zu den ersten Helfern an der Unglücksstelle – und auch zu den ersten Toten.
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Mit Schaufeln und bloßen Händen räumen sogenannte Liquidator*innen den radioaktiven Schutt beiseite, den die Explosion im AKW Tschernobyl umhergeschleudert hat. Die Einsatztrupps löschen den brennenden Reaktorkern, graben das radioaktive Erdreich ab, machen verstrahlte Dörfer dem Erdboden gleich und bauen den Sarkophag, der das Strahleninferno einschließen soll.

830.000 Menschen kommandiert das Sowjetregime zwischen 1986 und 1990 zu diesem Atomkatastrophendienst. Viele von ihnen werden nie wieder gesund – selbst wenn ihr Einsatz gerade einmal 40 Sekunden dauert.

Mehr als 90 % der Liquidator*innen sind bereits Invaliden (oder waren es, als sie noch lebten). Viele haben Krebs. Weitaus mehr jedoch gehen zugrunde, weil die Strahlung ihren Körper mürbe gemacht hat. Die meisten leiden an vier bis fünf Krankheiten gleichzeitig: Stoffwechsel und Organe, Haut und Nerven, Verdauung und Psyche, Sinnesorgane, Kreislauf, Atmung und vieles mehr sind geschädigt, Infektionen und Parasiten haben leichtes Spiel. Alterskrankheiten treten bei Liquidator*innen 10 bis 15 Jahre früher auf als sonst.

125.000 der Liquidator*innen waren 2005 vermutlich bereits tot. Kinder von Liquidator*innen weisen bis zu sieben Mal mehr Erbgutveränderungen auf, als ihre vor dem Super-GAU gezeugten Geschwister.
(IPPNW, 30 Jahre Leben mit Tschernobyl, 2016)
Die sechs Feuerwehrleute von Wache 6, die direkt am Reaktorkern löschen, gehören zu den ersten Helfern an der Unglücksstelle – und auch zu den ersten Toten.
Die sechs Feuerwehrleute von Wache 6, die direkt am Reaktorkern löschen, gehören zu den ersten Helfern an der Unglücksstelle – und auch zu den ersten Toten.
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Blutstropfen mit Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung: Tschernobyl-Orden für die Liquidator*innen
Blutstropfen mit Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung: Tschernobyl-Orden für die Liquidator*innen
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3.500 »Bio-Roboter«

Wie der Großteil der Liquidator*innen sind auch die 3.500 »Bio-Roboter« auf dem Dach des Maschinenhauses Soldaten und Reservisten der Roten Armee. Aus allen Teilen der Sowjetunion müssen diese zum atomaren Katastropheneinsatz
antreten. Doch auch Hunderttausende Arbeiter*innen, Inge­nieur*innen, Kran­ken­pfleger*innen und Wissen­schaft­ler*innen sind in Tschernobyl hohen Strah­lendosen ausgesetzt – längst nicht alle freiwillig. Die »Schutzausrüstung« der Li­qui­dator*innen ist oft nur marginal. Am Ende erhalten sie ein paar gute Wünsche und eine Plakette (siehe Bild).
(SWR, Die Schlacht von Tschernobyl, 2014)


2 fernlenkbare Roboter

Die »Atom-Feuerwehr« der deutschen AKW-Betreiber, der bei Karlsruhe stationierte Kerntechnische Hilfszug, schickt unter anderem zwei fernlenkbare Roboter zur Unterstützung der Katastrophenarbeiten nach Tschernobyl. Lange jedoch halten sie nicht durch: Der eine bleibt im warmen Teer stecken. Beim anderen versagt die Elektronik – die Strahlung ist zu hoch. 
Blutstropfen mit Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung: Tschernobyl-Orden für die Liquidator*innen
Blutstropfen mit Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung: Tschernobyl-Orden für die Liquidator*innen
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Leitender Mitarbeiter der Kerntechnischen Hilfsdienst GmbH, der bundesdeutschen »Atom-Feuerwehr«, drei Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl

(ARD, Monitor, ca. April 1989)
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Super-GAU

Der Reaktor explodiert, sein Kern gerät in Brand, die hochradioaktiven Brennelemente schmelzen. Keine schützende Hülle hält die Strahlung mehr zurück. Die Hitze des Feuers treibt die radioaktiven Partikel und Gase hoch in die Atmosphäre, der Fallout verseucht weite Teile Europas und Kleinasiens.

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Becquerel (Bq) ist eine Einheit für die Radioaktivität bzw. den radioaktiven Zerfall eines Stoffes. Sie bezeichnet die durchschnittliche Zahl der Atomkerne, die pro Sekunde zerfallen – und dabei radioaktive (ionisierende) Strahlung freisetzen.   

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Radioaktivität der Atombomben von Hiroshima  und Nagasaki

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(UNSCEAR, 1988; TORCH, 2006) 
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Der Reaktorkern von Block 4 enthält rund 190 Tonnen Uran, Plutonium und hochradioaktive Spaltprodukte.
Ein Drittel davon verstreuen die Explosionen in der näheren Umgebung des Kraftwerks. Der Rest gerät mit den 1.700 Tonnen Grafit in Brand, das die Brennelemente umgibt. 50 Meter hoch schlagen die Flammen aus dem Reaktor, die Temperatur im Kern steigt auf 2.500 Grad: Die hochradio­aktiven Brennstäbe schmelzen.
 
(UNSCEAR, 2000; TORCH, 2006)
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In mehr als 30 großen Gräben sind rund 886.000 Kubikmeter strahlende Überreste der Katastrophe verscharrt. Tausende von Fahrzeugen, die bei den Arbeiten kontaminiert worden sind, rosten unter freiem Himmel vor sich hin.

(GRS, 29 Jahre nach dem Unfall, 17.04.2015)
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Sechs Monate lang bauen um die 90.000 Menschen am Sarkophag, der den zerstörten Reaktor umhüllt; seit Jahren ist er undicht. Eine mehr als
2 Mrd. Euro teure zweite Hülle überspannt ihn seit 2019. Sie soll 100 Jahre halten.

(pripyat.com; sarkophag-archiv-forschung.jimdo.com; GRS, 29 Jahre nach dem Unfall, 17. April 2015; Wikipedia)  
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Franz-Josef Strauß, bayerischer Minister­präsident, Rede auf Volksfest in Trudering, 2. Juni 1986
(Kafka, Die Informationslüge, S. 72) 

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Die Wolke

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Dr. Georg Burger, Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF), 30. Mai 1986
(Kafka, Die Informationslüge, S. 71) 
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Nach der Explosion des Reaktors treibt eine erste Wolke radioaktiver Gase und Partikel in Richtung Skandinavien. Dort schlagen am 27. April 1986 die Messgeräte aus. 

Eine zweite Wolke zieht wenig später nach Westen. Am 30. April regnet ihre strahlende Fracht unter anderem in Deutschland und Österreich ab; Bayern wird so zur am höchsten kontaminierten Zone außerhalb der Sowjetunion.

Eine dritte Wolke zieht ab dem 1. Mai in Richtung Süden. Sie erreicht Griechenland, Kleinasien und Nordafrika. Erst 30 Tage nach dem Unfall hören die Freisetzungen auf.

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Erst am Mittag des 27. April, 30 Stunden nach der Explosion des AKW, ordnen die Behörden die Evakuierung der benachbarten 50.000-Einwohner*innen Stadt Prypjat an – offiziell für ein paar Tage.

Die Bewohner*innen haben zwei Stunden Zeit, eine Handvoll Sachen zu packen. Prypjat ist bis heute unbewohnbar.

Insgesamt werden kurz nach dem Atomunfall 350.000 Menschen evakuiert oder später umgesiedelt. Anfang 2005 waren nach Angaben der ukrainischen Regierung 89 Prozent von ihnen krank.  

(SWR, Die Schlacht von Tschernobyl, 2014; TORCH, 2006)
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Mehr als 8.000.000 Menschen leben noch immer in vom Tschernobyl-Fallout stark verstrahlten Gebieten Russlands, Weißrusslands und der Ukraine. Sogar die Sperrzone, in der offiziell niemand leben darf, ist nach wie vor bewohnt: An die 10.000 Menschen leben dort, immer noch oder inzwischen wieder – von den Behörden geduldet und ungeachtet der nach wie vor gravierend hohen Strahlenbelastung.

(IPPNW, 30 Jahre Leben mit Tschernobyl, 5 Jahre Leben mit Fukushima, Gesundheitliche Folgen der Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, 2016; TORCH, 2006)

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Nur 36 % des Tschernobyl-Fallouts landet in Russland, Weißrussland und der Ukraine, mehr als die Hälfte (53 %) verteilt sich auf das übrige Europa. Asien bekommt 8 Prozent, Afrika 2 Prozent und Amerika 0,3 Prozent ab.

Im Ergebnis sind 3,9 Mio. Quadratkilometer, das sind 40 % der Fläche von Europa, mit mehr als 4.000 Bq/m² Cäsium‑137 belastet, 218.000 Quadratkilometer (2,3 % der Fläche) sogar mit mehr als 40.000 Bq/m². Europaweit sind 600 Millionen Menschen vom radioaktiven Fallout betroffen.

(TORCH, 2006)
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Wildschweine aus manchen Teilen Süddeutschlands sind auch 35 Jahre nach dem Super-GAU noch so hoch radioaktiv belastet, dass ihr Fleisch nicht zum Verzehr geeignet ist. Gleiches gilt für einige andere Nahrungsmittel in der EU.

(TORCH, 2006; Strahlentelex 01/2024)

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Friedrich Zimmermann (CSU),
Bundesinnenminister, am 29. April 1986
in der ARD

(Kafka, Die Informationslüge, S. 13)
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Die Opfer

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»94 % der Liquidator*innen, 89 % der Evakuierten und Umgesiedelten, 85 % der Einwohner*innen der radioaktiv kontaminierten Gebiete und 79 % der direkt oder indirekt von dem Unfall betroffenen Kinder gelten nach den Kriterien des Nationalen Gesundheitsregisters der Ukraine als chronisch krank.«

Prof. Dr. Angelina Nyagu, ehemalige Leiterin der nationalen Forschungsprogramme zur Minimierung der Gesundheitsfolgen der Tschernobyl-Katastrophe in der Ukraine und ehemaligen UdSSR, 2006

(TORCH, 2006)
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Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner*innen und Jahr, standard incidence ratio
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Zehn Jahre nach der Explosion des AKW waren 70 % der Kinder in den Regionen um Tschernobyl nicht mehr gesund. Unter anderem Herz, Kreislauf, Lunge, Magen, Darm, blutbildende Organe, lymphatisches und endokrines System, Schilddrüse, Psyche und Hirn waren deutlich häufiger geschädigt als bei Kindern aus unbelasteten Gebieten. Auch Chromosomenschädigungen ließen sich in zahlreichen Studien nachweisen – und eine merklich reduzierte Fähigkeit, diese wieder zu reparieren. Damit steigt die Gefahr genetischer Schäden, die sich auch über viele Generationen hinweg fortsetzen können.

Nach Tschernobyl kamen europaweit etwa 800.000 Mädchen weniger zur Welt, als nach der Geburtenstatistik und dem normalen Geschlechterverhältnis zu erwarten gewesen wäre. Das Geschlechter-Ungleichgewicht war umso größer, je mehr radioaktiven Fallout die Region abbekommen hatte. Insbesondere weibliche Embryos sind sehr strahlenempfindlich.  

Um die 5.000 Säuglinge sind europaweit nur aufgrund der Strahlenbelastung durch Tschernobyl gestorben. Für viele Länder ist eine in den Monaten nach Tschernobyl deutlich erhöhte Perinatal­sterblichkeit (Totgeburten und Säuglingstode in den ersten Lebenstagen) nachgewiesen, vor allem in stärker belasteten Gebieten.

Bis 2056 sind 240.000 zusätzliche Krebsfälle in Europa wegen Tschernobyl zu erwarten. Die Krebserkrankungen der Hunderttausenden Liquidator*innen sind dabei nicht einmal mitgerechnet.

(IPPNW, 30 Jahre Leben mit Tschernobyl, 2016)
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Küken mit drei Beinen kommen nach Tschernobyl ebenso zur Welt wie Ferkel ohne Augen, Kaninchen ohne Beine, Schafe ohne Fell oder mit nur einem Auge, Fohlen mit fehlenden Hautpartien und Ziegenlämmer mit Korkenzieherbeinen oder offenem Bauch: In ganz Europa steigt die Zahl der Fehlbildungen auch bei Tieren deutlich an. Bei den besonders strahlenempfindlichen Ziegen melden einige Züchter*innen bis zu 40% Verluste an Jungtieren. In Bayern und auf Korsika – relativ stark vom radioaktiven Fallout kontaminierten Gebieten – kommt es zu Fehl- und Frühgeburten bei Kühen.
(IPPNW, 30 Jahre Leben mit Tschernobyl, 2016)
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Hans Blix, Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), 1986,
wenige Monate nach dem Super-GAU

(IPPNW, Gesundheitliche Folgen von Tschernobyl, 2011) 
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Mega-Schock

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Vorsicht, Regen! Plötzlich ist der gefährlich, bringt Cäsium, Strontium, Jod. Tschernobyl ist 1.000 Kilometer weit weg, aber der Dreck von dort fällt jetzt hier vom Himmel runter, hier bei uns. Den Super-GAU, den gibt es also wirklich. Und er ändert viel.  
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Mit mehr als 68.000 Becquerel pro Quadratmeter strahlen im Mai 1986 manche Spielplätze in München – 30 Mal so viel, wie laut Strahlenschutzverordnung zulässig wäre. Trotzdem lassen die Behörden die Kinder zunächst tagelang weiter spielen. Später tauschen sie, wie viele andere Kommunen auch, flächendeckend den Sand aus. Anderswo wird der Spielplatz gleich zur Sperrzone, Kinder dürfen nicht mehr raus, Sportplätze, Freibäder und Liegewiesen schließen: Die Strah­lung ist zu hoch.
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Bauern und Bäuerinnen pflügen Spinat und Salat wieder unter, lastwagenweise landet die frische Ernte auf dem Müll. 250 Becquerel Jod-131 und 100 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm empfiehlt die Strahlenschutzkommission als Grenzwert. Vielerorts wird der um ein Zigfaches überschritten. Keiner weiß, wie viel belastetes Gemüse dennoch auf den Tisch kommt. Fleisch ist übrigens ebenfalls belastet.
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Erst ab 500 Becquerel Jod-131 pro Liter
solle Milch nicht mehr verzehrt werden,
befindet die Strahlenschutzkommission
am 2. Mai. Da hat der Fallout die Weiden längst kontaminiert. Ein Kind, das einen derart belasteten Liter trinke, handele sich damit die Strahlenbelastung von zehn Röntgenaufnahmen ein, kontern kritische Wissenschaftler*innen. Messwerte aus Molkereien gelten vielerorts als Verschlusssache. H-Milch und Milchpulver von vor dem Super-GAU sind der Renner. Die verstrahlte Frischmilch wird ebenfalls zu Milchpulver verarbeitet.
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Das AKW Brokdorf geht trotz Tschernobyl im Herbst 1986 ans Netz, 1988 folgen dann noch Isar-2, Emsland und Neckarwestheim-2. Doch kein einziges Atomkraftwerk geht nach Tschernobyl in Deutschland noch in Bau, alle damals noch geplanten Projekte werden am Ende fallen gelassen, darunter die AKW ­Biblis C, Borken, Hamm, Marienberg, Neupotz, Pfaffenhofen, Pleinting und Viereth in Westdeutschland sowie die AKW Dahlen 1–4 in der DDR. Der bereits fertiggestellte Schnelle Brüter in Kalkar geht ebenso wie die schon in Bau befindlichen DDR-Reaktoren Greifswald 6–8 und Stendal 1–2 nie in Betrieb.
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Auch politisch bleibt der Fallout nicht ohne Folgen. Eltern gründen Bürgerinitiativen und richten eigene Messstellen ein. Die SPD und der Deutsche Gewerkschaftsbund rücken erstmals von ihrem strammen Pro-Atom-Kurs ab. Und die Bundesrepublik bekommt ein Umweltministerium, genauer ein Minsterium für Umwelt, Naturschutz »und Reaktorsicherheit«.
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Christian Lenzer (CDU), forschungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 11. Mai 1986

(Kafka, Die Informationslüge) 
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Auf der Flucht

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Fluchtfehler

15. März 2011, Iwaki: Eine Familie flieht vor der Strahlung – Medien haben kurz zuvor von der Explosion in Reaktor Nr. 2 im 30 Kilometer entfernten AKW Fukushima berichtet.  Foto: Kyodo / picture-alliance
15. März 2011, Iwaki: Eine Familie flieht vor der Strahlung – Medien haben kurz zuvor von der Explosion in Reaktor Nr. 2 im 30 Kilometer entfernten AKW Fukushima berichtet. Foto: Kyodo / picture-alliance
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Mehr als 20.000 Einwohner*innen der Stadt Namie, keine zehn Kilometer vom AKW entfernt, fliehen ausgerechnet nach Nord-Westen – genau dorthin, wo wenig später der größte Fallout niedergeht. Denn die Regierung hat zwar die Ausbreitung der radioaktiven Wolke und den zu erwartenden Fallout mit einem Computerprogramm berechnet und die Evakuierung Namies angeordnet. Das Ergebnis der Ausbreitungsrechnungen hält sie aber zunächst geheim.
(Neureuter, Fukushima 360°, 2014)

Rund 90 nicht gehfähige Patient*innen eines Krankenhauses werden bei der Evakuierung der Zehn-Kilometer-Zone zunächst zurückgelassen. Weil es im AKW zu immer neuen Explosionen kommt, verzögert sich ihre Rettung. 45 Patient*innen sterben.
(Mainichi Daily News, 20.12.2011)
15. März 2011, Iwaki: Eine Familie flieht vor der Strahlung – Medien haben kurz zuvor von der Explosion in Reaktor Nr. 2 im 30 Kilometer entfernten AKW Fukushima berichtet.  Foto: Kyodo / picture-alliance
15. März 2011, Iwaki: Eine Familie flieht vor der Strahlung – Medien haben kurz zuvor von der Explosion in Reaktor Nr. 2 im 30 Kilometer entfernten AKW Fukushima berichtet. Foto: Kyodo / picture-alliance
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Etwa zwei Millionen Menschen, zehnmal soviel wie bisher, müssten evakuiert werden, wenn die Sperrzone von 20 auf 80 Kilometer um das AKW erweitert würde. Eine solche Erweiterung fordert die ­US-Atomaufsichtsbehörde am 17. März 2011 nach ersten Strahlenmessungen mit Hilfe von Drohnen. Japan ignoriert die Forderung – und rät erst einen Monat später den Bewohner*innen im 20–30-Kilometer-Ring um das AKW, ihre Wohnungen freiwillig zu verlassen.
(Spiegel Online, 11.04.2011)
 
Eine jährliche Strahlenbelastung von 20 Millisievert hält die japanische Regierung seit dem Super-GAU von Fukushima für jede und jeden zumutbar – das 20-fache des Grenzwerts, den die Internationale Strahlenschutzkommission unter normalen Umständen empfiehlt. Für Orte, die so weit dekontaminiert sind, dass der erhöhte Grenzwert angeblich nicht mehr überschritten wird, hebt die Regierung die Evakuierungsanordnung auf. Wer dann nicht zurückkehrt, hat kein Anrecht auf Entschädigung mehr.
(Greenpeace, Japans Atomkrise, 2015)
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Chefkabinettsekretär Yukio Edano am 12. März 2011, vier Stunden nach der Evakuierungsanordnung für die Zwei-Kilometer-Zone
(The Telegraph, 15.03.2011) 
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3-Kern-Schmelze

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Protokoll Tag 1

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14:46  Ein Erdbeben im Pazifik führt zu schweren Schäden an den Reaktoren

14:47  Ausfall der externen Stromversorgung des AKW, automatische Schnellabschaltung der drei laufenden Reaktoren

15:08  Drei schwere Nachbeben bis 15:25

15:36  Ausfall der Notstromgeneratoren: »Station Blackout« im gesamten AKW

15:41  Hauptwelle des Tsunamis trifft das Kraftwerk

15:42  TEPCO meldet »nuklearen Notfall« in Reaktoren #1–3

17:00  TEPCO beordert mobile Stromgeneratoren aus anderen Kraftwerken nach Fukushima

17:07  Notkühlsystem in Reaktor #1 endgültig ausgefallen, der Druck im Reaktor steigt; wenig später ist so viel Wasser verdampft, dass die Brennstäbe teilweise freiliegen und zu schmelzen beginnen

18:20  Stromgeneratoren sind im Verkehrschaos stecken geblieben; TEPCO ordert weitere Notstromgeneratoren

19:03  Regierung ruft nuklearen Notstand aus

22:00  Erste Notstromgeneratoren eingetroffen, aber die Kabel sind zu kurz, da der Reaktorkeller überflutet ist. TEPCO ordert Batterien per Helikopter
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Protokoll Tag 2

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01:48  Feuerlöschpumpe, die frisches Wasser in Reaktor #1 gepumpt und damit die Kernschmelze verzögert hat, fällt aus: Treibstoff leer. Außerdem ist der Druck im Reaktor inzwischen zu hoch

05:46  Feuerwehr pumpt Wasser in Reaktor #1, um Kernschmelze zu verzögern

06:50  Aufsichtsbehörde ordnet das Abblasen von radioaktivem Dampf aus den Reaktoren #1 und #2 zur Druckentlastung an

09:04  Da die elektrischen Antriebe mangels Strom nicht funktionieren, müssen Arbeiter*innen die Armaturen in Reaktor #1 von Hand bedienen. Wegen der hohen Strahlung können sie nur ein Ventil ein bisschen öffnen

11:36   Notkühlung von Reaktor #3 fällt schrittweise aus

14:53  Kein Wasser mehr da zum Einspeisen in Reaktor #1

15:25  Wasserstoffexplosion in Reaktor #1, zerstört unter anderem frisch gelegte Stromkabel und Wasserschläuche

20:41  Abblasen von radioaktivem Dampf aus Reaktor #3 zur Druckentlastung

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Protokoll Tag 3 ff.

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02:41   Notkühlung von Reaktor #3 fällt endgültig aus

05:10  Kernschmelze in Reaktor #3 hat begonnen

15:38  Der Flugzeugträger USS Ronald Reagan wird hundert Meilen vor der japanischen Küste radioaktiv kontaminiert und liefert damit den ersten Hinweis auf die Existenz einer »radioaktiven Wolke« über dem Pazifik


14. März 2011

11:01  Explosion in Reaktor #3, beschädigt unter anderem die Kühlung in Reaktor #2 und #3

17:00  Kernschmelze in Reaktor #2 beginnt


15. März 2011

06:11  Wasserstoffexplosion in der Kondensationskammer von Reaktor #2

06:12
  Explosion in Reaktor #4

08:00
  Notfall-Einsatzzentrale fünf Kilometer vom AKW entfernt muss wegen Strahlung geräumt werden


17. März 2011


Erste radioaktive Partikel in den USA (Seattle) nachgewiesen


25. März 2011

EU ruft »radiologischen Notstand« aus und erhöht (!) die Strahlengrenzwerte für Nahrungsmittel
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Auch dreizehn Jahre nach dem Super-GAU muss die heiße Brennstoffschmelze in den geborstenen Reaktoren noch immer mit Unmengen Wasser gekühlt werden, das dabei radioaktiv verseucht wird. Ein Teil sickert nach unten und vermischt sich mit Grund- und Regenwasser, das trotz Grundwasserpumpen, Sandsäcken und einer unterirdischen Eiswand noch in die Reaktoren dringt. Mehr als 1,3 Millionen Kubikmeter radioaktiv verseuchtes Wasser lagerten Anfang 2024 in rund 1.000 riesigen Stahltanks auf dem AKW-Gelände – jeden Tag kommt mehr dazu. Zwei Drittel des Wassers sind auch nach „Reinigung“ weiterhin hoch kontaminiert: Messungen wiesen mehr als 62 verschiedene Radionuklide nach, die Grenzwerte wurden bis zu 20.000fach überschritten. Auch die seit Sommer 2023 mit Erlaubnis der japanischen Regierung ins Meer abgelassene Brühe ist radioaktiv kontaminiert.
(GRS, 10 Jahre Fukushima, 2021; TEPCO 24.01.2024; IPPNW 24.08.2023)

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Im Abklingbecken von Block 4 lagern zum Zeitpunkt der Katastrophe mehr als 1.000 hochradioaktive Brennstäbe – nach der Explosion am vierten Tag sogar unter freiem Himmel. Ohne Wasser im Becken würden sie nach acht Stunden beginnen zu schmelzen. Erst im November 2014 können sie aus dem beschädigten Becken geborgen und in ein etwas sichereres umgelagert werden.
Die Bergung der abgebrannten Brennelemente aus den Abklingbecken der zerstörten Blöcke 1–3 beginnt erst 2019. Sie wird bis mindestens 2031 dauern. Die Bergung der geschmolzenen Reaktorkerne hat selbst 13 Jahre nach dem Unfall nicht einmal begonnen.
(AP, 15.10.2011; Greenpeace, Japans Atomkrise, 2015; Tepco, 25.01.2024) 

Insgesamt 25.000 Menschen sind allein bis Herbst 2013 an der Unfallstelle im Einsatz. 85 % davon sind Leiharbeiter*innen, Freiwillige, Subunternehmer*innen, größtenteils mangel­haft geschult, vorbereitet und ausgerüstet. Vier Tage nach Beginn der Katastrophe setzt die japanische Regierung den Strahlengrenzwert für die Katastrophenarbeiter*innen von 100 auf 250 Millisievert pro Jahr herauf.
(Mainichi Daily News, 01.05.2011;
Neureuter, Fukushima 360°, S. 114)

Mindestens 30 Jahre werden die Sicherungs-, Aufräum- und Stilllegungsarbeiten im AKW Fukushima nach Angaben der japanischen Regierung dauern. AKW-Betreiber TEPCO geht von 30–40 Jahren aus, Greenpeace hält alles unter 50 Jahren für unrealistisch.
(dapd, 1.11.2011; Greenpeace, Japans Atomkrise, 2015)

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Bundeskanzlerin Angela Merkel,
12. März 2011 
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Atommüll in Säcken

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Mit Hochdruckreinigern, Handkehrern und Baggern mühen sich Säuberungs­trupps in den ersten Jahren, die vom Fallout besonders kontaminierten Gebiete wieder nutz- und bewohnbar zu machen. Sie spritzen Straßen, Dächer und Fassaden ab, kappen die strahlende Vegetation und tragen flächendeckend die oberste Bodenschicht ab.
Gärten und Parks, Wälder, Wiesen und Felder: Der Super-GAU hat alles zu Atom­müll gemacht. Er landet in Bigpacks, die sich überall stapeln. Der Reinigungserfolg ist trotz des Aufwands sehr begrenzt: Denn Wind und Regen treiben immer wieder neue strahlende Partikel aus der Umgebung herbei.
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Zwei Handbreit tief graben die Säuberungsmannschaften in den verstrahlten Siedlungen den Humus ab. Zurück bleibt nackter Boden, bisweilen mit Netzen mehr schlecht als recht gegen Erosion geschützt. Auch der Schlick aus den Straßengräben strahlt und muss ausgegraben werden, ebenso jede Fuge zwischen Bordsteinen und Gehwegplatten. Atemmasken und Overalls sollen die Arbeiter­*innen vor radioaktivem Staub schützen. Die Nachbarschaft und die vielleicht sogar schon »dekontaminierte« Umgebung schützt das aber nicht.
(Neureuter, Fukushima 360°)

Bis zu 100 Millionen Kubikmeter verstrahlte Erde müssten abgetragen werden, wenn alle 2.000 Quadratkilometer dekontaminiert werden sollen, die eine Belastung von mehr als einem Mikrosievert pro Stunde verursachen. Mit dem strahlenden Haufen könnte man den Tokyo Dome, das 55.000-Zuschauer-Base­ballstadion, 80 mal füllen – unter der Annahme, dass der Boden jeweils nur fünf Zentimeter tief abgegraben wird.
(The Asahi Shimbun, 15.09.2011)

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Präfektur Fukushima, vier Jahre nach dem Super-GAU: Bigbags mit dem strahlenden, radioaktiv verseuchten Boden, den die Säuberungstrupps abgegraben haben. Ein Atommülllager unter freiem Himmel, direkt vor der Haustür.  Foto: Arkadiusz Podniesiński
Präfektur Fukushima, vier Jahre nach dem Super-GAU: Bigbags mit dem strahlenden, radioaktiv verseuchten Boden, den die Säuberungstrupps abgegraben haben. Ein Atommülllager unter freiem Himmel, direkt vor der Haustür. Foto: Arkadiusz Podniesiński
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An mehr als 50.000 Plätzen stapelt sich 2015 allein in der Präfektur Fukushima der Atommüll – von der riesigen Bigbag-Halde bis zum Mini-Zwischenlager in der Hauseinfahrt. Bis 2021 wächst der strahlend-schwarze Berg auf 14 Millionen Säcke an.
Das Plastikgewebe ist nicht UV-beständig und wird unter Witterungseinflüssen schnell brüchig. Ein Drittel liegt auch zehn Jahre nach dem Super-GAU noch immer unter freiem Himmel. Bis 2045 soll die kontaminierte Erde über das ganze Land verteilt vergraben werden – als Straßenunterbau oder gar unter Gemüsefeldern.
(Greenpeace, Japans Atomkrise, 2015; Deutsche Welle, 09.03.2021)
Präfektur Fukushima, vier Jahre nach dem Super-GAU: Bigbags mit dem strahlenden, radioaktiv verseuchten Boden, den die Säuberungstrupps abgegraben haben. Ein Atommülllager unter freiem Himmel, direkt vor der Haustür.  Foto: Arkadiusz Podniesiński
Präfektur Fukushima, vier Jahre nach dem Super-GAU: Bigbags mit dem strahlenden, radioaktiv verseuchten Boden, den die Säuberungstrupps abgegraben haben. Ein Atommülllager unter freiem Himmel, direkt vor der Haustür. Foto: Arkadiusz Podniesiński
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»Verwenden Sie eine Bürste, um das Dach und die Regenrinnen Ihres Hauses abzuschrubben. Wenn der strahlende Schmutz stark (…) haftet, geben Sie ein wenig Wasser und etwas Backpulver auf den Fleck und arbeiten Sie noch einmal gründlich nach.«

(Neureuter, Fukushima 360°, S. 129)
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Shinzo Abe, japanischer Premierminister, bei der Abschlusspräsentation zur Bewerbung Tokios um die Olympischen Spiele 2020 am 7. September 2013
(dpa, 07.09.2013)
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Zukunft Krebs

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Krebserkrankungen in Japan aufgrund des Super-GAUs

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Millionen von Japaner*innen sind aufgrund des Super-GAUs jahrzehnte­lang radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Über belastete Nahrungsmittel gelangt diese auch in den Körper, wo sie besonders viel Schaden anrichten kann. Selbst die Vereinten Nationen rechnen mit mehreren Zehntausenden zusätz­lichen Krebserkrankungen und ‑toten.  
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Strahlen-Check

Strahlen-Check einer Evakuierten am 16. März 2011 in Hitachi, um eine mögliche radioaktive Kontamination etwa der Kleidung zu entdecken. Was die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe angeht, wäre entscheidender, welche Strahlenbelastung die Frau selbst bereits abbekommen hat, und vor allem, wie hoch diese in den kommenden Jahrzehnten sein wird – der radioaktive Fallout hat schließlich weite Teile Japans kontaminiert.
Foto: Asahi Shimbun / picture-alliance

Strahlenfolgen

Zu den am schnellsten auftretenden Strahlenfolgen nach einem Atom­unfall zählt Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Rings um Fukushima steigt diese Erkrankungsrate bis heute stark an – ein alarmierendes Zeichen.

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Bei den Kindern fängt es an

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Bis Anfang 2021 mussten bereits 213 Kinder aus der Präfektur Fukushima wegen Krebsgeschwüren in ihren Schilddrüsen operiert werden, bei weiteren 46 bestand akuter Krebsverdacht. Die Neuerkrankungsrate ist 20-mal so hoch wie ohne Super-GAU zu erwarten. Und jeden Monat kommen neue Fälle hinzu.
Viele weitere tauchen in der Statistik gar nicht erst auf: Weil sie außerhalb der Präfektur leben, wo es, Fallout hin oder her, keine Untersuchungen gibt. Oder weil ihr Schilddrüsenkrebs aus absurden Gründen einfach nicht mitgezählt wird.
(IPPNW, Schilddrüsenkrebs bei Fukushima-Kindern, 2021; IPPNW, Japan setzt auch nach Fukushima weiter auf Atomenergie, 2024)

 
Krebs aus dem Pazifik
 
71 junge US-Soldat*innen, die von März bis Mai 2011 auf dem Flugzeugträger USS Ronald Reagan im Pazifik vor der japanische Küste im Einsatz waren, sind Anfang 2014 schwer erkrankt. 51 von ihnen leiden an verschiedenen Krebsarten, unter anderem Hodenkrebs, Hirntumore und Leukämie. Das Schiff war mit insgesamt 5.000 Männern und Frauen besetzt.
(heise.de, 09.01.2014)


Stark verstrahlt

Jede*r Zwölfte der 25.000 Arbeiter*innen, die von März 2011 bis Oktober 2012 im AKW Fukushima eingesetzt waren, hat nach Angaben des AKW-Betreibers TEPCO dabei mehr als 100 Millisievert ab­bekommen, etwa ein Dutzend sogar mehr als 250 Millisievert. Ärzteorganisationen wie die IPPNW empfehlen eine maximale Dosis von 0,3 Millisievert pro Jahr.
(IPPNW, Gesundheitliche Folgen von Fukushima, Update 2015)
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Präfektur Fukushima
(IPPNW, www.fukushima-disaster.de, 08.09.2015)

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10 Glück gehabt

Während der ersten Wochen der Atomkatastrophe bläst der Wind in Fukushima Richtung Osten, hinaus aufs Meer. Vier Fünftel der freigesetzten Radioaktivität landen daher über dem Pazifik. Aus der Welt ist die Strahlung damit noch lange nicht. Japan aber kommt vergleichsweise glimpflich davon: Bei anderen Windverhältnissen wären weit größere Teile des Inselstaats kontaminiert und dauerhaft unbewohnbar geworden.

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12.3.2011

Zu Beginn der Katastrophe bläst der Wind auf den Pazifik hinaus. Erst am 12. März dreht er für einige Stunden auf Südwest; eine radioaktive Wolke zieht über die Küstenregion nördlich des AKW. Da es aber nicht regnet und die Emissionen noch vergleichsweise niedrig sind, bleibt ein größerer Fallout aus.  

15.3.2011

Am 14. März, die Emissionen aus dem AKW sind sehr hoch, zieht ein Tiefdruckgebiet die radioaktive Wolke aus Fukushima zunächst nach Süden und Südwesten, dann wieder nach Norden. Bevor sie am Abend des 15. März auf den Pazifik weht, hat sie den Ballungsraum Tokio überquert; einsetzender Regen hat große Gebiete Ostjapans radioaktiv kontaminiert.  

18.3.2011

Vom 16. bis 19. März bläst der Wind wieder nach Westen und verteilt die radioaktiven Stoffe weit über den Pazifik. Am Abend des 19. dreht er jedoch nach Osten, die Emissionen des Tages treiben zurück über Japan, am 20./21. März auch über Tokio. Wie im ganzen Osten der japanischen Hauptinsel sorgt Regen auch hier für Fallout – die Wolke ist allerdings deutlich weniger radioaktiv als die vom 14./15. März.

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Haarscharf davongekommen

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Die 50 Millionen Einwohner*innen des Großraums Tokio entgehen wenige Tage nach Beginn der Atomkatastrophe nur knapp einem massiven radioaktiven Fallout. Denn am 14./15. März 2011 entweicht besonders viel radioaktives Cäsium‑137 aus den zerstörten Reaktoren und den Brennelementebecken in Fukushima. Ausgerechnet an diesen Tagen aber weht der Wind nicht aufs Meer hinaus. Die strahlende Wolke zieht stattdessen über den Osten der japanischen Hauptinsel Honshu, auch über Tokio. Zumindest dort jedoch regnet es an diesem Tag zum Glück nicht.
(NILU, 2012)




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Ein Anfang 2013 im Hafenbereich vor dem AKW Fukushima gefangener Fisch ist mit unglaublichen 254.000 Becquerel Cäsium‑137 pro Kilogramm belastet. Ende 2013 sind sogar vor der US-Pazifikküste in 15 von 15 untersuchten Thunfischen radioaktive Rückstände vom Super-GAU in Japan messbar. Das FAO-Fanggebiet 61 „Nordwestpazifik“ liegt direkt vor der Küste Fukushimas, das vor Alaska (Fanggebiet 67) grenzt direkt daran an.
(Verbraucherzentrale Hamburg, 2013)
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Mindestens acht Prozent der Landesfläche Japans beziehungsweise 30.000 Quadratkilometer sind nach Angaben des japanischen Wissenschaftsministeriums mit mehr als 10.000 Becquerel Cäsium pro Quadratmeter verseucht. Die kontaminierte Zone erstreckt sich vom AKW bis zu 300 Kilometer weit ins Land.
(MEXT, November 2011)

Schätzungen gehen davon aus, dass in Fukushima 12 bis 53 Petabecquerel (PBq, das sind Billiarden Becquerel) Cäsium‑137 und 150-160 PBq Jod‑131 in die Luft freigesetzt wurden. Lediglich ein Fünftel davon landete nicht im Meer. Hinzu kommt die direkte Einleitung radioaktiver Substanzen in den Pazifik; die Vereinten Nationen schätzen sie auf 9 PBq Cäsium‑137 und 68 PBq Jod-131 allein bis 30. April 2011. Die Atomkatastrophe von Fukushima ist damit die größte je gemessene singuläre Verschmutzung der Weltmeere.
(NILU, 2012; NILU, 2015; IRSN, 26.10.2011)


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Yoshimitsu Kobayashi, Vorsitzender der japanischen Vereinigung der Führungskräfte (Japan Association of Corporate Executives), am 1. Dezember 2015
(The Asahi Shimbun, 02.12.2015) 
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11 Mega Demos

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Begleitet von den größten Anti-AKW-Protesten in der Geschichte der Bundesrepublik nimmt die schwarz-gelbe Regierung die erst kurz zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke zurück. Stattdessen müssen acht der 17 Meiler sofort vom Netz. Die übrigen neun jedoch dürfen trotz aller Sicherheitsbedenken noch viele Jahre weiter laufen. Erst im April 2023 werden die letzten drei Reaktoren abgeschaltet.
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Samstag, 12. März 2011
Nur Stunden nach den ersten Explosionen in Fukushima bilden 60.000 Menschen eine 45 Kilometer lange Menschenkette vom AKW Neckarwestheim bis nach Stuttgart. Bundes­kanzlerin Merkel (CDU) sagt eine Sicher­heitsüberprüfung aller AKW zu. Der baden-württembergische Noch-Minister­­­präsident Mappus (CDU) schließt tags darauf eine Stilllegung älterer AKW nicht mehr aus.

Montag, 14. März 2011  
Merkel setzt die kurz zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung der AKW für drei Monate aus. Das AKW Neckarwestheim 1 muss vorübergehend vom Netz. Abends bringen 450 Mahnwachen in ganz Deutschland 110.000 Menschen auf die Straße. Am Dienstagmorgen verkündet Merkel die dreimonatige Stilllegung von acht AKW – und Mappus für Neckarwestheim 1 bereits das endgültige Aus. 

Samstag, 19. März 2011
95.000 Menschen beteiligen sich bei Anti-Atom-Demos in 18 Städten.
Montags stellen 726 Mahnwachen mit 140.000 Teilnehmer*innen einen neuen Rekord auf.
Dienstags kündigt Merkel eine »Ethikkommission« an, die das Atomrisiko neu bewerten soll. 

Samstag, 26. März 2011
Großdemos in Berlin, Hamburg, Köln und München. »Fukushima mahnt: Alle AKW abschalten« ist mit 250.000 Menschen der größte Anti-Atom-Protest in der Geschichte der Bundesrepublik. Tags darauf verliert Schwarz-Gelb die Wahlen in Baden-Württemberg.
Donnerstags stellt der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission (RSK) öffentlich das Aus für die acht ältesten AKW in Aussicht.


Samstag, 28. Mai 2011
160.000 Menschen fordern in mehr als 20 Städten »Atomkraft Schluss!« – die zweitgrößten Anti-Atom-Proteste der Geschichte. Keine 48 Stunden später besiegeln CDU, CSU und FDP im Kanzleramt das Aus für acht AKW.


Und anderswo?
In vielen Ländern gibt es nach Fukushima Demonstrationen und Proteste, in Japan gar die größten, die es dort je gab. Einige Staaten überdenken ihre Energiepolitik. In keinem anderen Land jedoch sind die Anti-Atom-Proteste so stark wie in Deutschland – und kein anderes Land schaltet nach Fukushima so viele AKW dauerhaft ab.
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Von den zunächst verbliebenen neun Atomkraftwerken dürfen laut dem schwarz-rot-gelb-grünen »Atom-Konsens« von 2011 die meisten noch bis 2022 weiterlaufen. Das dauert der Mehrheit der Bevölkerung (51 %) zu lange. 75 % der Grünen-Anhänger*innen, 61 % der SPD-Anhänger*innen, 57 % der Anhänger*innen der Linkspartei und sogar mehr als ein Drittel (37 %) der CDU/CSU-Anhänger*innen sind dafür, die AKW schneller abzuschalten.
(Repräsentative Emnid-Umfrage im Auftrag von .ausgestrahlt, Januar 2013)
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Arnold Vaatz, CDU-Fraktionsvize, zur geplanten Rücknahme der Laufzeit­verlängerung und dem Aus für die acht ältesten Meiler
(mz-online.de, zit. nach AP, 30.05.2011) 
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Fast passiert

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Die Warnlampe brennt. Ventil offen, heißt das. Trotzdem fährt die Mannschaft den Reaktor weiter hoch. Anzeige kaputt, glaubt sie. Auch die zweite Schicht ignoriert das rote Licht. Erst die dritte erkennt das Problem – und versucht einen riskanten Trick: Sie öffnet ein zweites Ventil. Die Leitung dahinter ist für den hohen Druck nicht ausgelegt, ein Überdruckventil öffnet sich. Radioaktiver Dampf schießt aus dem Sicherheitsbehälter. Hätte das Ventil nicht sofort wieder geschlossen, hätte der Kern seine Kühlung verloren: beste Voraussetzungen für eine Kernschmelze.  
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Eine Knallgasexplosion zerfetzt zweieinhalb Meter einer in den Reaktorkern führenden Kühlleitung. Sensoren zeigen die Erschütterung an, der Betreiber des AKW aber sperrt lediglich die Leitung ab. Erst als die Behörde eine Inspektion erzwingt, wird das Schadens­ausmaß deutlich: Von der Leitung sind nur noch Trümmerstücke übrig. Wäre die Explosion drei Meter näher am Reaktordruckbehälter passiert, hätte dieser Leck schlagen können, die Folge: ein »Störfall mit Kühlmittelverlust«. Bis zum Super-GAU ist es dann nicht mehr weit.

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Nach einem Kurzschluss außerhalb des AKW bricht die Stromversorgung des Reaktors nördlich von Stockholm zusammen. Nur zwei der vier Notstromdiesel springen an, die Hälfte der Sicherheits- und Notkühlsysteme fällt aus. Der Kühlwasserstand im Reaktor sinkt. Monitore sind dunkel. Allein dem Zufall ist es zu verdanken, dass der Kurzschluss nicht gleich alle vier – baugleichen! – Notstromsysteme lahm legt. In diesem Fall hätte kein frisches Wasser mehr ins
Reaktorinnere gepumpt werden können – bis zum Beginn einer Kernschmelze wären ganze 18 Minuten geblieben.
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Das Atomkraftwerk Biblis A und B, Baujahr 1970 bzw. 1972, ging trotz unzähliger Mängel erst am 18. März 2011 vom Netz. Foto: Fredrik von Erichsen / picture-alliance
Das Atomkraftwerk Biblis A und B, Baujahr 1970 bzw. 1972, ging trotz unzähliger Mängel erst am 18. März 2011 vom Netz. Foto: Fredrik von Erichsen / picture-alliance
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Meldepflichtige Ereignisse

Mehr als 6.500 meldepflichtige Ereignisse in deutschen Atomkraftwerken verzeichnen die Behörden seit 1965. Jedes Jahr haben einige dieser Störungen das Potenzial, sich zu einem schweren Unfall auszuweiten.


Absturzgefährdet

Keines der jemals in Deutschland in Betrieb gegangenen Atomkraftwerke war gegen den Absturz eines großen Passagierflugzeugs geschützt. Selbst in den modernsten Anlagen hätte es dann zum Super-GAU kommen können: Die Schäden wären unter Umständen so groß gewesen, dass die hochradioaktiven Brennelemente nicht mehr gekühlt hätten werden können.


Atomkraftwerke – Technische Oldtimer

Das letzte deutsche AKW ging 1982 in Bau. Neckarwestheim-2 war also so alt wie die ersten Commodore-C64-Heimcomputer, die anderen Reaktoren waren sogar noch älter. Der ständige Neutronen­beschuss macht den Stahl von Reaktoren spröde, die Gefahr, dass Risse entstehen, steigt. Wer behaupten würde, er habe seinen C64 auf aktuelle Standards nachgerüstet, würde lauthals ausgelacht – zu Recht! Bei Atomkraftwerken ist das leider nicht so lustig.
Das Atomkraftwerk Biblis A und B, Baujahr 1970 bzw. 1972, ging trotz unzähliger Mängel erst am 18. März 2011 vom Netz. Foto: Fredrik von Erichsen / picture-alliance
Das Atomkraftwerk Biblis A und B, Baujahr 1970 bzw. 1972, ging trotz unzähliger Mängel erst am 18. März 2011 vom Netz. Foto: Fredrik von Erichsen / picture-alliance
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Forschungsminister Heinz Riesenhuber (FDP) am 29. April 1986, drei Tage nach dem Super-GAU in Tschernobyl, in der BILD 
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Was wäre wenn

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Ergebnis: Schon wenn nur zehn Prozent der radioaktiven Stoffe aus einem AKW in die Umwelt gelangten, könnten Gebiete in bis zu 170 Kilometer Entfernung dauerhaft unbewohnbar werden, legt man japanische Maßstäbe zugrunde.
Bei anderen Unfall- und Wetterbedingungen wären noch weit größere Gebiete betroffen. Selbst die besten Katastrophenschutzpläne helfen da nicht mehr weiter.
(BfS, urn:nbn:de:0221-201204128010)
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Vor der Atomkatastrophe von Fukushima sind in Deutschland 17 Atomkraftwerke an 12 Standorten in Betrieb (wenn sie nicht wegen Reparaturen stillliegen). 

Im März 2011, wenige Tage nach dem Super-GAU in Japan,  gehen die acht technisch ältesten und unsichersten Reaktoren vom Netz: die AKW Brunsbüttel, Krümmel, Unterweser, Biblis A+B, Philippsburg 1, Neckarwestheim-1 und Isar-1.

9 Atomkraftwerke laufen weiter.
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Mitte 2015, ein halbes Jahr früher als gesetzlich vorgeschrieben, stellt das AKW Grafenrheinfeld seinen Betrieb ein – er rechnet sich nicht mehr.

8 Atomkraftwerke laufen weiter.
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Ende 2017 geht das AKW Gundremmingen B vom Netz. Wie das des Zwillingsreaktors Gundremmingen C weist sein Notkühlsystem gravierende Mängel auf.

7 Atomkraftwerke laufen weiter.
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Ende 2019 läuft die Betriebsgenehmigung des AKW Philippsburg-2 aus. Mehr als 30 Jahre war der Reaktor ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Erdbebenschutz am Netz.

6 Atomkraftwerke laufen weiter.
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An Silvester 2021 stellen das AKW Brokdorf, das AKW Grohnde und das AKW Gundremmigen C ihren Betrieb ein.

3 Atomkraftwerke laufen weiter.
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Mit dem AKW Emsland, dem AKW Neckarwestheim-2 und dem AKW Isar-2 gehen am 15. April 2023 die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz.
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Das Abschalten der AKW in Deutschland hat das Atomrisiko drastisch reduziert. Doch auch bei Atomunfällen in benachbarten Ländern kann der radioaktive Fallout bis nach Deutschland gelangen.

22 der 103 Atomkraftwerke in der EU und Schweiz sind weniger als 200 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

»Was wäre wenn« müssen wir uns erst dann nicht mehr fragen, wenn ganz Europa atomfrei ist.
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AKW Dukovany 1–4 (CZ)

Vier Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart (WWER-440) ohne Sicherheitsbehälter (!), Leistung je 505 MW, Inbetriebnahme 1985–1987. Abschaltung verschoben auf 2038–2047, ggf. noch später. Neubau eines Reaktors (1.200 MW) geplant seit 2012.
(WNISR 2023)

AKW Temlín

AKW Temelín 1+2 (CZ)

Zwei Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart (WWER-1000), in Betrieb seit 2000 und 2002, Leistung je 1.080 MW. Bau zweier weiterer Reaktoren 1985 begonnen und 1990 gestoppt. Neubau von 2 Reaktoren seit 2007 geplant, 2014 aufgegeben, seit 2022 wieder geplant.

AKW Beznau 1+2, AKW Gösgen, AKW Leibstadt (CH)

AKW Beznau: 2 Druckwasserreaktoren à 380 MW Leistung, mit >50 Jahren dienstälteste AKW der Welt (Inbetriebnahme 1969 und 1971), gebaut in einem schmalen Tal auf einer Insel in der Aare und damit extrem Hochwassergefährdet.

AKW Gösgen: Druckwasserreaktor, 1.060 MW Leistung, in Betrieb seit 1979.

AKW Leibstadt: Siedewasserreaktor, Leistung 1.280 MW, direkt an der deutschen Grenze gegenüber von Waldshut gelegen, in Betrieb seit 1984

AKW Cattenom 1–4 (F)

4 Druckwasserreaktoren mit je 1.362 MW Leistung, Inbetriebnahme 1987–1992. Besonders erdbebengefährdet. 2022/23 monatelange Produktionsausfälle wegen Korrosion wichtiger Rohre an allen 4 Reaktoren.

AKW Chooz 1+2 (F)

2 Druckwasserreaktoren mit je 1.560 MW Leistung, in Betrieb seit 1996/1997. Wegen technischer Probleme (u.a. gefährliche Spannungsrisskorrosion wichtiger Rohre) lagen beide Reaktoren in den Jahren 2019–2022 insgesamt mehr als die Hälfte der Zeit still.

AKW Tihange 1+3 (BE)

2 Druckwasserreaktoren mit je 1.000 bzw. 1.080 MW Leistung, am Netz seit 1975 bzw. 1985. Die Abschaltung von Tihange-1 ist 2025 geplant. Tihange-3 bekam eine Laufzeitverlängerung bis 2035 und wäre dann 50 Jahre alt.

AKW Doel 1+2+4 (BE)

3 Druckwasserreaktoren mit 450 MW, 1.060 MW und 1.090 MW Leistung, in Betrieb seit 1974, 1982 und 1985. Im Umkreis von 75 km wohnen 9 Millionen Menschen: Kein anderes AKW in Europa hat eine so dicht besiedelte Umgebung. Die Reaktordruckbehälter von Doel-2 und Doel-3 weisen mehr als 16.000 Risse auf, das Notkühlwasser muss auf mehr als 45°C vorgeheizt werden, um ein Bersten der Behälter durch Temperaturschock zu vermeiden. Doel-1 und Doel-2 sollen 2025 vom Netz gehen, Doel-4 erhielt eine Laufzeitverlängerung bis 2035.

AKW Borssele (NL)

Mehr als 50 Jahre alter Druckwasserreaktor (am Netz seit 1973) mit einer Leistung von 515 MW. Die Dampferzeuger des AKW sind aus demselben korrosionsanfälligen Material gefertigt wie beim Riss-Reaktor Neckarwestheim-2. Laufzeitverlängerung bis 2034, weitere geplant. Niederländische Regierung plant Neubau von bis zu 4 großen Reaktoren.

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100× mehr Strahlung

Mit maximal einem Millisievert pro Jahr dürfen AKW die Bevölkerung laut Strahlenschutzverordnung eigentlich belasten. Nach einem Atomunfall jedoch gilt der »Störfallgrenzwert« von 50 Millisievert pro Jahr. Und eine Evakuierung halten die Innenminister*innen erst ab 100 Millisievert pro Woche für nötig. Der entsprechende japanische Eingreifwert ist fünfmal, der in Tschernobyl geltende sogar zehnmal niedriger.
Laut Weltgesundheitsorganisation gibt es keinen Schwellenwert, unterhalb dessen Strahlung gesundheitlich unbedenklich wäre.

 
Evakuierungspläne 

Von zehn auf 20 Kilometer erweitert werden seit 2014 die Evakuierungspläne um die AKW in Deutschland – eine Konsequenz aus Fukushima. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat allerdings vorgerechnet, dass Evakuierungen und Umsiedlungen bei einem Atomunfall leicht auch über die 20-Kilometer-Grenze hinaus erforderlich sein können – trotz der extrem hohen Grenzwerte, die hierzulande in so einem Fall gelten.
(Bundesamt für Strahlenschutz, urn:nbn:de:0221-201204128010)


Hellsehen

Idealerweise 3–6 Stunden vor Durchzug der radioaktiven Wolke müsste man Jodtabletten optimalerweise einnehmen, wenn diese die Schilddrüse noch rechtzeitig mit Jod sättigen und so die Einlagerung von radioaktivem Jod verhindern sollen. In den meisten Gemeinden müssen die Tabletten bei einem Atomunfall aber erst noch an die Haushalte verteilt werden. Da kann die Wolke durchaus schneller sein – und die Tabletten dann wirkungslos.
(IPPNW-Empfehlung bei Atomreaktorunfällen zum Schutz der Schilddrüse mit speziellen Jod-Tabletten [Jodblockade], 2016)


AKW-Haftpflicht

Mit gerade einmal 2,5 Milliarden Euro Deckungssumme waren Atomkraftwerke in Deutschland gnadenlos unterversichert – in anderen Ländern sieht es noch schlechter aus. Die durch einen Super-GAU verursachten Schäden können viele Tausend Mal so hoch sein. Müssten AKW-Be­treiber eine Haftpflichtversicherung in realistischer Höhe abschließen, wären alle Atomkraftwerke sofort unrentabel. Denn die Versicherungskonzerne wissen: So unwahrscheinlich ist ein schwerer Atomunfall nicht.


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Albrecht Broemme, Präsident des Technischen Hilfswerks (THW), nach dem Super-GAU in Japan
(Focus, 12.04.2011)
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Aktiv werden!

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Noch immer Atom-Land

Auch nach dem Abschalten der letzten deutschen AKW treibt die Atomindustrie weiter ihr Geschäft. Firmen aus Deutschland sind an Instandhaltung und Neubau von AKW in ganz Europa beteiligt. In Gronau wird weiter Uran angereichert. Die Atomfabrik in Lingen versorgt AKW in der EU mit frischem Brennstoff. In Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern Rosatom will sie ihre Produktion sogar noch deutlich ausbauen. »Atomausstieg« sieht anders aus!


Öko- schlägt Atomstrom

Von 2010 bis 2022 nahm die jährliche Ökostrom-Produktion um 150 Milliarden Kilowattstunden zu. Das ist eineinhalb mal so viel, wie im selben Zeitraum durch die Abschaltung der AKW an Atomstrom wegfiel. Gleichzeitig hat der Einsatz der Anti-Atom-Bewegung den weltweiten Siegeszug der Erneuerbaren ins Rollen gebracht, auch gegen den Widerstand der Fossil-Lobby. 2023/2024 – im Jahr nach dem Abschalten der letzten AKW – verbrauchte Deutschland so wenig Kohle für die Stromproduktion wie seit 60 Jahren nicht mehr. Die Erneuerbaren hingegen erringen Jahr für Jahr neue Rekorde.
(energy-charts.de, 2024)


100 % Erneuerbare Energien

Um den Energiebedarf dauerhaft und zuverlässig zu decken, benötigt Deutschland weder Atomkraft noch fossile Energien. Zahlreiche Studien zeigen: Die Umstellung der Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare Energien ist möglich – in Deutschland, Europa und weltweit. Dem nötigen zukunftssicheren Umbau der Energieversorgung stehen Atomkraftwerke nur im Weg. Je schneller sie vom Netz gehen, desto besser für die Energiewende.


54 AKW abgeschaltet

In Japan gingen nach dem Super-GAU in Fukushima binnen 14 Monaten alle 54 AKW vom Netz – und lagen mehrere Jahre still. Erst 2015 fuhren (trotz massiver Proteste) zwei Atommeiler wieder hoch, ganze sieben weitere folgten bis 2024. Weder Japan noch die japanische Wirtschaft sind ohne Atomstrom zusammengebrochen, auch seine Stellung als Hochtechnologieland hat der Inselstaat nicht eingebüßt. Ein sofortiger Atomausstieg ist möglich – nicht nur in Japan!
(dpa, 06.05.2012 und 24.12.2015; WNISR 2023)
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Das können Sie tun

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Atomkraftwerke gehen nur vom Netz, wenn sich viele aktiv dafür einsetzen. 

  • Bleiben Sie informiert und beziehen Sie öffentlich und privat Position gegen Atomkraft.
  • Verhindern Sie das Ausbremsen der Erneuerbaren Energien und neue Finanz(ierungs)hilfen für AKW-Betreiber und Atomprojekte.
  • Widersprechen Sie jenen, die Atomkraft wieder oder immer noch als Zukunftstechnik preisen.
  • Stärken Sie die Anti-Atom-Bewegung: mit Ihrem kleinen wie großen persönlichen Engagement und mit finanzieller Unterstützung für Anti-Atom-Initiativen und ‑Organisationen.

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Plakat-Ausstellung

Diese Ausstellung gibts auch zum Aufhängen – auf 15 Plakaten, Format DIN A1. Für mehr Infos und/oder zum Bestellen bitte hier klicken.

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Fukushima, Tschernobyl und wir

Eine Ausstellung von .ausgestrahlt, Stand: März 2024

Redaktion: Armin Simon und Bettina Ackermann

Plakatgestaltung: Erik Tuckow [sichtagitation] und Felix Franz

Gestaltung in Pageflow: Erik Tuckow [sichtagitation]

Sprach-Aufnahmen: Bettina Ackermann

Weitere Infos unter ausgestrahlt.de

Impressum

Datenschutz .ausgestrahlt
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Wie der Großteil der Liquidator*innen sind auch die 3.500 »Bio-Roboter« auf dem Dach des Maschinenhauses Soldaten und Reservisten der Roten Armee. Aus allen Teilen der Sowjetunion müssen diese zum atomaren Katastropheneinsatz
antreten. Doch auch Hunderttausende Arbeiter*innen, Inge­nieur*innen, Kran­ken­pfleger*innen und Wissen­schaft­ler*-innen sind in Tschernobyl hohen Strah­lendosen ausgesetzt – längst nicht alle freiwillig. Die »Schutzausrüstung« der Li­qui­dator*innen ist oft nur marginal. Am Ende erhalten sie ein paar gute Wünsche und eine Plakette (siehe rechts).
(SWR, Die Schlacht von Tschernobyl, 2014)

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Mehr als 90 % der Liquidator*innen sind bereits Invaliden (oder waren es, als sie noch lebten). Viele haben Krebs. Weitaus mehr jedoch gehen zugrunde, weil die Strahlung ihren Körper mürbe gemacht hat. Die meisten leiden an vier bis fünf Krankheiten gleichzeitig: Stoffwechsel und Organe, Haut und Nerven, Verdauung und Psyche, Sinnesorgane, Kreislauf, Atmung und vieles mehr sind geschädigt, Infektionen und Parasiten haben leichtes Spiel. Alterskrankheiten treten bei Liquidator*innen 10 bis 15 Jahre früher auf als sonst.
(IPPNW, Gesundheitliche Folgen
von Tschernobyl, 2011)
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Vermutlich 125.000 der Liquidator*innen waren 2005 bereits tot. Kinder von Liquidator*innen weisen bis zu sieben Mal mehr Erbgutveränderungen auf als ihre vor dem Super-GAU gezeugten Geschwister.

(IPPNW, 30 Jahre Leben mit Tschernobyl, 2016)   

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3 Beine

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Küken mit drei Beinen kommen nach Tschernobyl ebenso zur Welt wie Ferkel ohne Augen, Kaninchen ohne Beine, Schafe ohne Fell oder mit nur einem Auge, Fohlen mit fehlenden Hautpartien und Ziegenlämmer mit Korkenzieherbeinen oder offenem Bauch: In ganz Europa steigt die Zahl der Fehlbildungen auch bei Tieren deutlich an. Bei den besonders strahlenempfindlichen Ziegen melden einige ZüchterInnen bis zu 40 % Verluste an Jungtieren. In Bayern und auf Korsika – relativ stark vom radioaktiven Fallout kontaminierten Gebieten – kommt es zu Fehl- und Frühgeburten bei Kühen.

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Übersicht
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Kapitel 10 10 Glück gehabt

Glück gehabt

Strahlender Fisch

Kapitel 11 11 Mega Demos

MEGA-DEMOS

Mega-Demos

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